Köcherfliegen

Köcherfliegen

Unter der Vielzahl an Insekten, deren Larvenstadium unter Wasser abläuft, stellen die Köcherfliegen eine bedeutende Gruppe dar. Weltweit sind heute fast 7000 Arten bekannt. 895 davon in Europa und ca. 290 in Deutschland. Bei den Larven gibt es freilebende und köchertragende Tiere. Letzteren verdanken die Köcherfliegen ihren Namen. Beide Formen werden je nach der Art in fließendem als auch in stehendem Wasser angetroffen, wo sie der Wissenschaft als Bioindikatoren dienen.

Die gehäuselosen Larven benötigen jedoch eine gute bis sehr gute Wasserqualität, weshalb sie nur in Flüssen oder Bächen mit reichlicher Sauerstoffsättigung angetroffen werden. In flachen Seen oder wasserführenden Gräben wird man Individuen antreffen, die ihren Köcher aus Blattteilchen, Holzstückchen oder vielleicht sogar aus kleinen, leeren Wasserschneckengehäusen gebaut haben. In Fließgewässern mit ihrem kalten, sauerstoffreicheren Wasser leben dann die Umwelteinflüssen gegenüber empfindlicheren Arten. Dementsprechend „hochwertig“ sind dann auch die Köcher, welche dort aus Sand, feinstem Kies und kleinsten Steinchen bestehen. Bei den Köcherfliegen gibt es sogar Spezialisten.

Die Art Anabolia nervosa z.B., sie lebt in fließendem und stehendem Wasser, spinnt zusätzlich seitlich links und rechts bis zu 70 mm dünne Ästchen in Längsrichtung an den Köcher. Durch die Holzteile werden die Tiere so sperrig, dass sie von Freßfeinden kaum noch verschlungen werden können. Einfach, aber genial! Eine andere Art, sie lebt im stark fließenden bzw. dahinschießenden Wasser, spinnt sich am Hartsubstrat fest. So müssen diese Insekten keine Energie durch das Festklammern am Gewässergrund aufwenden und können sich dadurch in aller „Ruhe“ dem Nahrungserwerb widmen. Wiederum andere dienen selbst als Siedlungsraum, etwa als Sitzplatz für den Süßwasserpolypen Pelmatohydra oligactis. Köcherfliegen sind ein Teil der Nahrungskette und stellen auf Grund ihrer ungeheueren Menge eine wichtige Fischnahrung dar. Ab Mitte März bis ungefähr Anfang Juni ist das Hartsubstrat am Grund mancher Flüsse mit Millionen von Köcherfliegenlarven besiedelt. Deren Köcher besteht aus so feinem Sand, dass er sich elastisch verbiegen lässt, ohne zu brechen. Eine unglaubliche Biomasse! Adulte, also geschlüpfte Köcherfliegen sind kleine, mittelgroße oder große Insekten mit zwei behaarten Flügelpaaren zwischen 3 und 68 mm Spannweite. Der wissenschaftliche Name „Trichoptera“ was im Griechischen behaarte Flügel heißt, erklärt sich damit. Diese werden in der Ruhestellung meist dachförmig über dem Hinterleib zusammengelegt. Sie haben nur wenige Queradern. Die vorherrschende Flügelfärbung variiert von grau und schwarz bis nach zimt- und dunkelbraun. Am Kopf tragen die Köcherfliegen lange, fadenförmige Fühler. Die jährliche Hauptflugzeit gleicht jener der Eintagsfliegen. Die ersten Exemplare steigen schon im April in die Luft. Die letzten verabschieden sich in der Regel im Oktober. Je nach Witterung verschiebt sich aber die Flugzeit, was heißt, ist das Frühjahr warm und trocken, fliegen die Köcherfliegen bereits im März. Ein nasskalter Frühling hemmt dagegen ihre Aktivitäten und sie kommen erst im Mai hervor. Dafür schwirren dann manche Exemplare noch im November. Trichoptera fliegt bevorzugt am späten Nachmittag bis in die Nacht. Einige Arten haben allerdings ihre tägliche Flugzeit in die Sonnenstunden gelegt. Im Gegensatz zu den Eintagsfliegen fehlen den Köcherfliegen die Schwanzfäden am Körperende. So unterschiedlich wie die Gehäuse, so unterschiedlich sind die Gelege der verschiedenen Arten. Legen die einen ihre Eier als Kittlaich ins Wasser ab, produzieren die anderen einen Gallertlaich. Beide Laichformen kleben nach dem Absinken an hartem Gewässergrund oder zwischen Unterwasserpflanzen fest. Nur, dass beim Gallertlaich die Eier zusätzlich von einer klebrigen Substanz, welche im Wasser aufquillt, geschützt werden. Nach etwa ein bis drei Wochen, je nach der Wassertemperatur, schlüpfen die Larven.

Nun entwickeln sich die meisten Arten mit fünf Larvenstadien über einen Zeitraum von neun bis zehn Monaten weiter. Zwischen dem letzten Larvenstadium und dem Imaginalstadium, das ist die fertige Fliege, entwickeln die Köcherfliegen eine Puppe als Ruhestadium, das maximal einen Monat dauert. In der Puppe bilden sich nun allmählich die Organe wie Flügel, Mundwerkzeuge, Beine usw.. Die Larvenköcher besitzen in dieser Zeit vorne und hinten durchlöcherte Membranverschlüsse. Ist der Moment des Schlupfes gekommen, öffnen die Puppen den Köcher mit ihren scharfen Mundwerkzeugen und steigen zur Wasseroberfläche auf. Viele von ihnen werden dabei zum fetten Happen für Äschen und Forellen! Die Überlebenden häuten sich dann entweder frei auf dem Wasserfilm treibend, was erneut „Opfer“ kostet, oder festsitzend auf aus dem Wasser ragenden Steinen oder Pflanzen. Somit ist der Lebenskreislauf zum fertigen Insekt (Imago) abgeschlossen und nach der Paarung beginnt mit der Eiablage ein neuer Köcherfliegenzyklus. Ein Zwischenstadium als halbfertiges Insekt, der Subimago, wie bei den Eintagsfliegen, hat die Natur bei den Köcherfliegen nicht vorgesehen!

Gunnar Förg